Unbefangenheit räumt der Kunst Chancen ein

Wenn Jochen Meister mit den Schülern ins Museum geht, ist er nicht als Experte unterwegs, sondern als Vermittler: „Der Experte weiß schon sehr viel über die Kunstwerke, aber er will als Vermittler sehen, wie die Jugendlichen an die Kunst herangehen und sie dabei begleiten.“ In der Sonderausstellung der Britin Gillian Wearing im Museum Brandhorst lässt Jochen Meister die Schüler unvoreingenommen auf die Portraits zugehen, lässt sie spüren, dass sie es hier mit Masken, mit einer Inszenierung der eigenen Person zu tun haben. Eine Künstlerin und ihre Familienaufstellung, die Suche nach ihrem Platz darin. Das ist übertragbar auf das Alter der Schüler: Auch sie sind im Umbruch, müssen ihren Platz im Gefüge neu suchen, ihre Persönlichkeit neu benennen.

Wenn das Betrachten der Ausstellung solche Erkenntnisse hervorbringt, weiß Jochen Meister, warum er als Kunstpate arbeitet: „Das spontane Erleben von Kunst, die Unbefangenheit, mit der die Schüler ihr begegnen, das räumt neue Chancen ein“, sagt er.
So funktioniert es auch in der Sammlung des Museums Brandhorst, im obersten Stockwerk zum Beispiel, bei der 12teiligen Bildfolge „Lepanto“ des Amerikaners Cy Twombly. Jochen Meister: „In diesen Bildern liegt eine Virtuosität, die erstmal nur in Erstaunen versetzt.“ Zu komplex scheint die Bedeutung dahinter. Erst nachdem die Schüler sich getraut haben, ihr Erstaunen in Worte zu fassen, erzählt Jochen Meister von der legendären Seeschlacht im Jahre 1571, die Twombly inspirierte. Danach herrscht bei den Schülern wieder großes Staunen – aber diesmal, weil sie die Bilder zu etwas Eigenem gemacht haben – mit ihrer persönlichen Herangehensweise. Das sind die Momente, wo auch Jochen Meister staunend das Museum Brandhorst verlässt.